staatliche Verwaltungsgerichte müssen über katholisches Mitarbeitervertretungsrecht entscheiden, Verwaltungsgericht Wiesbaden, Urteil vom 27.10.2011, Az. 6 K 553/11.WI

Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden hat durch Urteil vom 27.10.2011 entschieden, dass ein nichtkirchlicher Seminaranbieter einen Anspruch auf sachliche Entscheidung über die Geeignetheit einer von ihm für Bistumsmitarbeiter angebotenen Fortbildungsveranstaltung gegenüber dem Bistum Limburg hat.

Die Bezahlung der Mitarbeiter des Bistums ist seit dem Jahr 2007 dauerhaft an das Gehaltsniveaus des öffentlichen Dienstes gekoppelt und neue Tarifergebnisse für die im Dienste des Beklagten stehenden Mitarbeiter werden automatisch übernommen.

Die Klägerin ist eine gemeinnützige Seminarveranstalterin und bietet in ihrem Tätigkeitsfeld Seminare für Betriebsräte, Personalräte und andere Interessenvertretungen an. So entwickelte die Klägerin auch für die Mitarbeitervertretung des beklagten Bistums ein Konzept für eine Tagesschulung mit dem Titel: „Das Tarifergebnis TVöD 2010 und seine Anwendung im Bistum Limburg“.

Den erforderlichen Antrag der Klägerin an das Bistum Limburg, als Dienstherr und zuständige Stelle dieses Seminar gemäß § 16 der Mitarbeitervertretungsordnung für das Bistum Limburg (MAVO) (= § 46 Abs. 7 Bundespersonalvertretungsgesetz) zu genehmigen, lehnte dieses mit der Begründung ab, dass Schulungen für Mitglieder der Mitarbeitervertretungen in der Regel durch Schulungsveranstalter aus dem kirchlichen Bereich durchgeführt würden und eine darüber hinausgehende Anerkennung als nicht notwendig angesehen werde.

Das für den 29.03.2011 vorgesehene Seminar fand wegen der fehlenden Anerkennung durch das Bistum nicht statt. Für zukünftige Fälle wollte die Klägerin nun gerichtlich festgestellt wissen, ob sie einen Anspruch gegen das Bistum darauf hat, sachlich/ inhaltlich beschieden zu werden.

In dem nun ergangenen Urteil bejahte das Verwaltungsgericht zunächst seine Zuständigkeit und verneinte die eines Kirchengerichts, da es sich nicht um eine rein innerkirchliche Angelegenheit handele und zudem der verfassungsrechtlich verankerte Justizgewährungsanspruch dies erfordere. Denn das Kirchenrecht kenne zwar auch Verwaltungsgerichte, diese seien bei der katholischen Kirche in Deutschland aber nicht errichtet, so dass deshalb eine Überprüfbarkeit der Entscheidung des Beklagten vor dem staatlichen Verwaltungsgericht zur Gewährung von Rechtsschutz geboten sei.

Das Gericht sah entgegen der Auffassung des Bistums die Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung auch als anfechtbar an. Die Regelung des § 16 MAVO sei inhalts- und wortgleich mit der entsprechenden Regelung des Personalvertretungsgesetzes, wonach die jeweiligen Fortbildungsveranstaltungen für Personalratsmitglieder von der zuständigen Behörde als geeignet anerkannt sein müssen. Dass diese behördlichen Entscheidungen anfechtbar, d.h., gerichtlich überprüfbar seien, unterliege keinem Zweifel.

Die Klägerin habe auch einen Anspruch darauf, dass über ihren Antrag sachlich entschieden werde, was bislang nicht erfolgt sei. Nach der Kommentierung zu der MAVO sei auf Antrag über eine Schulungsveranstaltung als geeignet von dem Bistum oder dem Diözesancaritasverband zu entscheiden. Dabei sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Kriterien für die Anerkennung von der für den Bereich der Dienststelle zuständigen Anerkennungskörperschaft, d.h., hier von dem Bistum selbst, festgelegt werden.

Hieran fehle es nach den Feststellungen des Gerichts aber vollständig. Eine gegensätzliche Entscheidung müsste nach Auffassung des Gerichts die Inhalte der Veranstaltung auch anders bewerten, z.B. dass die Themen für die Mitarbeiter irrelevant seien. Auch dies sei vorliegend nicht geschehen. Sollten dem Bistum Informationen über die Veranstaltung gefehlt haben, so hätten entsprechende Unterlagen angefordert werden müssen, was der Beklagte aber nicht getan habe. Die Entscheidung des Beklagten, die Schulungsveranstaltung sei nicht notwendig, sage jedoch gerade nichts über deren Geeignetheit aus. Auf diese Entscheidung habe die Klägerin aber einen Anspruch.

Gegen dieses Urteil (Az.: 6 K 553/11.WI) kann Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden, über den der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel zu entscheiden hat.

(C) Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden

 

§ 16 Mitarbeitervertretungsordnung für das Bistum Limburg (MAVO)

(1) Den Mitgliedern der Mitarbeitervertretung ist auf Antrag der Mitarbeitervertretung während ihrer Amtszeit bis zu insgesamt drei Wochen Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Bezüge für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen zu gewähren, wenn dieses die für die Arbeit in der Mitarbeitervertretung erforderlichen Kenntnisse vermitteln, von dem Bistum oder dem Diözesancaritasverband als geeignet anerkannt sind und dringende dienstliche oder betriebliche Erfordernisse einer Teilnahme nicht entgegenstehen.

§ 46 Bundespersonalvertretungsgesetz

(1) – (5) …

(6) Die Mitglieder des Personalrates sind unter Fortzahlung der Bezüge für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen vom Dienst freizustellen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Tätigkeit im Personalrat erforderlich sind.

(7) Unbeschadet des Absatzes 6 hat jedes Mitglied des Personalrates während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf Freistellung vom Dienst unter Fortzahlung der Bezüge für insgesamt drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der Bundeszentrale für politische Bildung als geeignet anerkannt sind.