Wann ist eine vorläufige Dienstenthebung nach § 44 Abs. 1 S. 2 DG.EKD zulässig?

Das Disziplinarrecht kennt in § 44 Abs. 1 DG.EKD zwei voneinander unabhängige Tatbestände, die eine vorläufige Dienstenthebung ermöglichen: entweder die drohende Entfernung oder Entlassung nach S. 1 oder die – hier nun thematisierte – Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit oder des Ansehens der Kirche oder von Dienstbetrieb und Ermittlungen nach S. 2.

Oft bestehen aber erhebliche Zweifel daran, ob die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 S. 2 DG.EKD vorliegen.

„Gefahr eines Ansehensverlustes der Kirche in der Öffentlichkeit“

Die Gefahr eines Ansehensverlustes der Kirche ist insbesondere nicht festzustellen, wenn die angeschuldigten Amtspflichtverletzungen im Wesentlichen innerorganisatorische Themenkomplexe ohne Außenwirkung betreffen. Sind die angeschuldigten Sachverhalte bislang nicht der Öffentlichkeit, auch nicht der verbandlichen oder kirchengemeindlichen Öffentlichkeit, vor Ort bekannt geworden, ist dies regelmäßig auch nicht im Verlauf des Verfahrens zu erwarten, da das Disziplinarverfahren nichtöffentlich stattfindet. Es ist daher in den meisten Fällen nicht erkennbar, welches Ansehen in welcher Öffentlichkeit bedroht sein soll.

„Gefahr der Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit der Wahrnehmung des kirchlichen Auftrages“

Auch die Gefahr einer Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit ist in vielen Fällen nicht gegeben. Konnte der Rechtsträger, für den der Kirchenbeamte tätig war (also etwa: die Kirchengemeinde, der Gemeindeverband, der Kirchenkreis, etc.) den jeweiligen gesetzlichen, rechtlichen und kirchlichen Verpflichtungen nachkommen und den kirchlichen Auftrag, z.B. Seelsorge erfüllen, ist nicht ersichtlich, warum dann eine Tätigkeit des Beamten während des Disziplinarverfahrens die Glaubwürdigkeit erschüttern sollte.

„wesentliche Beeinträchtigung des Dienstbetriebs oder der Ermittlungen“

Zweifel sind regelmäßig auch gegenüber der Sorge „wesentlicher“ Beeinträchtigungen des Dienstbetriebs oder der Ermittlungen angebracht. Der Kirchengesetzgeber hat einen hohen Maßstab für dieses Kriterium gewählt. Nicht jede Anwesenheit eines Kirchenbeamten in seinem Dienstbereich und nicht jede (marginale) Beeinträchtigung der Ermittlungen soll geeignet sein, eine vorläufige Dienstenthebung zu veranlassen. Liegen etwa alle dienstlichen Informationen ausschließlich in elektronischer und Papierform beim zuständigen Rechtsträger (Kirchengemeinde, Verband, Kirchenkreis, etc.) vor und hatte der Kirchenbeamte keine Gelegenheit, hierauf „beeinträchtigend“ Zugriff zu nehmen, ist in den meisten Fällen nicht erkennbar, wie er dann zukünftig, jedenfalls aber nach einer Sicherung der Unterlagen und Daten, nach noch „wesentliche“ Beeinträchtigungen verursachen könnte.

Ergebnis

Bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung, kann der Beamte seine Rechte nach § 67 DG.EKD geltend machen. Der dort geregelte Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung kann jederzeit, auch wiederholt und nicht fristgebunden, gestellt werden.