§ 55 DG.EKD bestimmt die inhaltlichen Anforderungen an die Klageschrift mit dem Ziel, der Disziplinarkammer eine ausreichende Tatsachengrundlage für die von ihr zu treffende Entscheidung zu verschaffen. Das ist vor allem im Hinblick darauf von Bedeutung, dass nur diejenigen Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden dürfen, die dem Beamten in der Klage oder einer Nachtragsdisziplinarklage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden.
vgl. Disziplinarkammer der Ev. Landeskirche in Baden, Urteil v. 04.09.2012, Az. D1/2012, mit Verweis auf BVerwG 25.01.2007, NVwZ 2007, 960 [961]; für das staatliche Recht Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 52 Rn. 8 ff.; Urban, in: Urban/Wittkowski, BDG, § 52 Rn. 10.
Die Angaben zu dem Kirchenbeamten haben sich, wie in § 55 DG.EKD ausdrücklich normiert, sowohl auf seinen persönlichen als auch auf seinen beruflichen Werdegang zu erstrecken.
Im Interesse der Übersichtlichkeit und zur vereinfachten Bewertung verfahrensrechtlicher Fragestellungen gebietet § 55 DG.EKD außerdem die Darstellung des bisherigen Gangs des Disziplinarverfahrens. Hierzu gehören vor allem:
- die Einleitung des Disziplinarverfahrens,
- eine eventuelle Ausdehnung und Beschränkung des Disziplinarverfahrens,
- eine eventuelle Aussetzung des Disziplinarverfahrens,
- die Unterrichtung und Belehrung des Beamten,
- die einleitende Anhörung,
- Beweiserhebungen,
- eine eventuelle Abgabe des Disziplinarverfahrens,
- eventuelle gerichtliche Zwischenentscheidungen,
- die abschließende Anhörung des Beamten.
Die der Disziplinarklage zugrunde liegenden Tatsachen müssen in der Klageschrift hinreichend substantiiert aufbereitet werden. Die Darstellung muss dem Gericht eine Schlüssigkeitsprüfung ermöglichen, ob der Beamte ein Dienstvergehen begangen hat. Zugleich muss der Tatsachenvortrag der Klageschrift den Beamten in die Lage versetzen, den Klagevortrag zu bewerten, ihn zu erwidern und die erhobenen Vorwürfe ggf. zu entkräften
vgl. Disziplinarkammer der Ev. Landeskirche in Baden, Urteil v. 04.09.2012, Az. D1/2012, auch BVerwG 23.11.2006, ZBR 2007, 94; zum staatlichen Recht Urban, in: Urban/Wittkowski, BDG, § 52 Rn. 13.
Zur Erfüllung dieses Zwecks muss die Klageschrift die Sachverhalte, in denen nach Auffassung des Dienstherrn ein Dienstvergehen gesehen werden muss, aus sich heraus verständlich darstellen. Hierzu gehört eine so hinreichende Substantiierung, dass die zum Gegenstand der Disziplinarklage gemachten Handlungen für die Disziplinarkammer alleine aufgrund der Klageschrift definierbar sind und darüber hinaus dem Beamten eine sachgerechte Einlassung möglich ist. Dies erfordert, dass Ort und Zeit der einzelnen Handlungen möglichst genau angegeben und die einzelnen Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden.
vgl. Disziplinarkammer der Ev. Landeskirche in Baden, Urteil v. 04.09.2012, Az. D1/2012, zum staatlichen Recht BVerwG 26.10.2011, 2 B 69/10, 13.3.2006, Buchholz 235 § 67 BDO Nr. 1 Rn 8; 23.11.2006, ZBR 2007, 94; 25.1.2007, NVwZ 2007, 960 [961]; Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 52 Rn. 11; Urban, in:
Urban/Wittkowski, BDG, § 52 Rn. 13.
Nur durch die Erfüllung dieser Anforderungen wird sichergestellt, dass sich der Beamte gegen die ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann.
vgl. auch BVerwG 28.3.2011, 2 B 59.10, IÖD 2011, 143; zum staatlichen Recht Urban, in: Urban/Wittkowski, BDG, § 52 Rn. 13.
In der Disziplinarklage sind auch die Umstände zu benennen, die für die Art und Schwere des Dienstvergehens von besonderer Bedeutung sind. Darüber hinaus sind Angaben zum Verschulden des Beamten und dabei vor allem zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit erforderlich. Bei Zweifeln müssen diese Schuldformen konkret gegeneinander abgegrenzt werden.
In der Darstellung des objektiven und subjektiven Tatbestands des Dienstvergehens sind sowohl die be- als auch die entlastenden Umstände zu benennen, da beide im Sinne einer objektiven Würdigung in die Entscheidung des Gerichts einfließen müssen. Soweit der Beamte die ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen bestreitet, sind die wesentlichen Elemente seiner Einlassung ebenfalls in der Klageschrift darzustellen und zu bewerten.
Weiterhin ist eine beamten- und disziplinarrechtliche Würdigung der dargestellten Tatsachen angezeigt. Deshalb sollte vor allem angegeben werden, gegen welche konkreten dienstlichen Pflichten der Beamte durch sein Fehlverhalten verstoßen hat. Dabei ist auch die Bewertung der subjektiven Tatbestandsmerkmale und des Verschuldens und dabei vor allem die Zuordnung zu den Elementen des Vorsatzes oder der Fahrlässigkeit wichtig.
Schließlich sind in der Klageschrift auch die Beweismittel geordnet darzustellen. Als solche kommen vornehmlich in den Akten befindliche Urkunden und sonstige Schriftstücke in Betracht, beispielsweise dienstliche Auskünfte oder Unterlagen, die auf der Grundlage des §§ 34, 36 DG.EKD gewonnen worden sind.
Werden die Anforderungen des § 55 EG.EKD nicht erfüllt, leidet die Klageschrift an einem wesentlichen Mangel i. S. d. § 58 DG.EKD, zu dessen Beseitigung die Disziplinarkammer eine Frist setzen kann.
Denn nur eine inhaltlich bestimmte Klageschrift ermöglicht dem Beschuldigten aber eine sachgerechte Verteidigung gegen die disziplinarischen Vorwürfe, und nur sie schafft Klarheit darüber, welchen Umfang die Rechtskraft eines auf ihr fußenden Urteils hätte.
vgl. Disziplinarkammer der Evangelischen Landeskirche in Baden, Urteil v. 04.09.2012, Az. D1/2012, Rn. 19, juris.
Soweit eine Klageschrift Bezug auf ergänzend überreichte Disziplinarvorgänge nimmt, ist dieser Bezug als solcher nicht ausreichend. Es ist allein Aufgabe der vorgelegten Klageschrift, allen Beteiligten einschließlich der Disziplinarkammer die notwendigen Informationen über die Person des Beklagten, die ihm angeschuldigten Pflichtverletzungen und etwaige Beweismittel zu verschaffen.
Das bereits mehrfach herangezogene Disziplinarurteil der Disziplinarkammer Baden lässt es an deutlichen Worten nicht mangeln. Dort heißt es:
„Soweit die Klageschrift weiter ausführt: ‚Zum Gegenstand dieser Klage werden indes die Vorwürfe gemacht, die bereits Gegenstand der Ausdehnung des Disziplinarverfahrens waren‘, ist dies, soweit diese Vorwürfe in der Klageschrift nicht konkret benannt werden, unbeachtlich. Bezugnahmen auf den Akteninhalt sind zur Beschreibung des zu beurteilenden Sachverhalts nicht statthaft. Der Verweis auf aus der Disziplinarakte ersichtliche Vorkommnisse kann die fehlende Substantiierung der disziplinarischen Vorwürfe in der Klageschrift nicht ersetzen (BVerwG NVwZ 2007, 960ff.).“
vgl. Disziplinarkammer der Evangelischen Landeskirche in Baden, Urteil v. 04.09.2012, Az. D1/2012, Rn. 22, juris.