Das Kirchenrecht ist aus unterschiedlichen Gründen immer wieder für Überraschungen gut. Das hat vielleicht damit zu tun, dass dort die Zahl der Fälle deutlich geringer ist als im staatlichen Recht und sicherlich auch damit, dass die Gerichte quasi für jedes Verfahren ad-hoc zusammentreten müssen. Denn alle Richter/innen üben ihr kirchliches Richteramt ehrenamtlich aus. Das ist ihnen hoch anzurechnen, denn eine funktionierende Kirchengerichtsbarkeit ist für das Kirchenrecht unabdingbar. Gleichwohl können dabei Fehler passieren, etwa dass versehentlich ein Scheinbeschluss der ersten Instanz erlassen wird.
Hierzu gibt es nun erstmalig eine Antwort des Kirchengerichtshofs der Ev. Kirche in Deutschland, der den Scheinbeschluss – vergleichbar der staatlichen Rechtsprechung – aufgehoben und die Sache an die erste Instanz zurückverwiesen hat.
Im Wortlaut lautet die Entscheidung:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Kirchengerichts der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 5. Februar 2018 aufgehoben.
Die Sache wird an das Kirchengericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.
1. Der Senat kann allerdings in der Sache nicht entscheiden; denn das erstinstanzliche Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, weil der angefochtene Beschluss des Kirchengerichts vom 5. Februar 2018, mit dem der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt worden ist, nicht wirksam geworden ist.
Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Beschlusses ist nach § 45 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 VwGG.EKD, dass er schriftlich abgefasst und von den Mitgliedern unterschrieben worden ist, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben. Der Sinn der Regelung besteht darin die Verantwortung der Richter für die schriftlichen Entscheidungsgründe zu dokumentieren (vgl. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 117 Rn. 14). Das bedeutet nicht, dass die Unterschriften auf ein und dasselbe Dokument gesetzt werden müssen. Wenn sich die Richter über die vom Vorsitzenden oder dem Berichterstatter formulierten Entscheidungsgründe einig sind, ist der Zweck des Unterschriftserfordernisses auch erfüllt, wenn jeder Richter jeweils ein separates Exemplar unterschreibt und die im Wortlaut identischen Exemplare in der Geschäftsstelle zusammengeführt werden. Wird, wie das hier geschehen ist, so verfahren, darf der Beschluss allerdings erst ausgefertigt und zugestellt werden, wenn die unterschriebenen Exemplare vollzählig sind. Das hat die Geschäftsstelle des Kirchengerichts übersehen. Sie hat den Beschluss in beglaubigter Ausfertigung den Beteiligten am 7. Februar 2018 zugestellt, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch ein unterzeichnetes Exemplar fehlte. Der Geschäftsstelle lag erst ein Beschlussentwurf vor; der infolge seiner verfrühten Ausfertigung und nachfolgenden Zustellung nicht die Wirksamkeit eines Beschlusses erlangt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992-5 C 9.89 – BVerwGE 91, 242 <245> zum Fall der Zustellung eines im schriftlichen Verfahren ergangenen Urteils). Durch den Eingang des letzten Exemplars mit der Unterschrift des Richters A. am 9. Februar 2018 ist der Beschluss nicht nachträglich wirksam geworden. Wirksam werden kann er nur durch eine erneute Zustellung (vgl. Schenke, in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 117 Rn. 3).
2. Der Beschluss ist aber auf den Hilfsantrag des Antragstellers aus Gründen der Rechtssicherheit und Klarheit aufzuheben, damit der von ihm ausgehende Schein eines Beschlusses beseitigt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 3 Dezember 1992 a.a.O. S. 242). Die Sache ist an das Kirchengericht zurückzuverweisen.
Bevor eine erneute Zustellung erwogen wird, wird das Kirchengericht zur Gewährung rechtlichen Gehörs das Vorbringen des Bevollmächtigten des Antragstellers in den an den Senat gerichteten Schriftsätzen vom 14. Februar 2014 zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen haben. […]
Hinweis: Nach der Rückverweisung haben beide Parteien das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Verfahren wurde daraufhin durch die Verwaltungskammer beim Kirchengericht der EKD eingestellt. Eine Entscheidung in der Sache erging damit nicht mehr.