In einem kirchengerichtlichen Verfahren hatte die beklagte Landeskirche Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben. Im Rahmen dieses Verfahrens hatte sie eine Erledigungserklärung abgegeben, die allerdings zunächst nur bei Gericht vorlag und noch nicht der Klägerseite zugegangen war. In diesem Zeitraum fand ein Telefonat zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Landeskirche statt. Nachdem das Verfahren abgeschlossen und die Kosten der Landeskirche auferlegt worden waren, stellte sich im Rahmen der Kostenfestsetzung die Frage, ob und ggf. welche Gebühren für das Telefonat anzusetzen waren.
Der Senat hat dies mit Beschluss vom 13.04.2022 bejaht und den vorangegangenen Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben und eine eigene Kostenentscheidung getroffen. Der Beschluss lautet im Volltext:
- Der Beschluss der Geschäftsstelle des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts der VELKD vom 15. November 2021 über die Kostenfestsetzung im Verfahren RVG 6/2020 wird aufgehoben.
- Die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf insgesamt EUR 1.033,40 (eintausenddreiunddreißig 40/100) festgesetzt.
- Diese Kosten hat nach dem Beschluss des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands vom 14. Juli 2021 die Beklagte zu tragen.
- Der zu erstattende Betrag ist ab dem 27. Juli 2021 mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
- Der Wert des Streitgegenstandes für das Kostenfestsetzungsverfahren wird auf 454,50 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf gerichtliche Entscheidung über den Kostenfestsetzungsbeschluss der Geschäftsstelle des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts vom 15. Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt EUR 600,71 festgesetzt worden sind, ist gemäß § 22 Abs. 4 Satz 2 der Rechtsverordnung zur Ausführung des Kirchengesetzes über die Errichtung eines Verfassungs- und Verwaltungsgerichtes der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands vom 17. November 2006 (ABI. VELKD Bd. VII S. 340) in der Fassung vom 16. September 2010 (ABl. VELKD Bd. VII S. 450) – VerfO – zulässig.
Der erkennende Senat hat im Beschluss vom 14. Juli 2021 der Beklagten gemäß § 20 Abs. 1 VerfO die Kosten des von ihr anhängig gemachten Beschwerdeverfahrens RVG 6/2020 auferlegt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 30. August 2021 beantragt, die ihm zu erstattenden Kosten auf der Grundlage des festgesetzten Gegenstandswerts von EUR 5.000,00 wie folgt festzu-
setzen:
- eine 1,6 Verfahrensgebühr Revision nach § 13 RVG, Nr. 3206 VV RVG 484,80 EUR
- eine 1,5 Terminsgebühr Revision nach § 13 RVG, Nr. 3210 VV RVG 454,50 EUR
- eine Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme netto 959,30 EUR - 19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 182,27 EUR
Gesamtsumme 1.141,57 EUR
Durch Beschluss vom 15. November 2021 hat die Geschäftsstelle des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt EUR 600,71 festgesetzt.
Die Festsetzung erfolgte – mit Ausnahme der Terminsgebühr – antragsgemäß. Die Festsetzung einer 1,6 Verfahrensgebühr wurde auf § 13 RVG Nr. 3506 VV RVG gestützt. Eine Terminsgebühr wurde nicht festgesetzt. Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Terminsgebühr sei nicht § 13 RVG Nr. 3210 RVG, sondern § 13 RVG Nr. 3516 VV RVG. Eine Terminsgebühr entstehe jedoch nicht bereits, wenn die Parteien sich ohne Mitwirkung des Gerichts besprechen, sondern nur dann, wenn ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung über die Nichtzulassungsbeschwerde stattfinde.
Dagegen wendet sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und beantragt mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2021 gerichtliche Kostenfestsetzung. Die beantragte Terminsgebühr sei nach Ziff. 3210 VV RVG anzusetzen. Die Besprechung zwischen den Parteien am 27. Mai 2020 sei unstreitig. Ebenso sei aktenkundig, dass die Landeskirche mit ihrem Schriftsatz vom 23. März 2020 – der beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin erst am 2. Juni 2020 zugegangen und somit am 27. Mai 2020 noch nicht bekannt gewesen sei – einseitig die Erledigung des Verfahrens und nicht (bloß) die Rücknahme des eigenen Rechtsmittels erklärt habe. Aus Sicht des am Telefonat teilnehmenden Prozessbevollmächtigten der Klägerin wie auch aus Sicht des Vertreters der Landeskirche sei es somit in der telefonischen Besprechung zwischen den Parteien um die Beilegung des gesamten Verfahrens gegangen. Es handele sich damit um einen Termin im Sinne der Vorb. 3, Abs. 3 Nr. 2, weil die Besprechung auf die Vermeidung oder Erledigung des gesamten Verfahrens gerichtet gewesen sei. Somit sei für die Terminsgebühr Ziff. 3210 VV RVG einschlägig. Dies sei auch nicht für die Dauer des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gesperrt. Sonst könnten allein aus Kostengründen Verhandlungen zwischen den Parteien des Verfahrens verzögert werden.
Hilfsweise sei aber die Terminsgebühr in gleicher Höhe gemäß Ziff. 3516 VV RVG anzusetzen. Die frühere Auffassung des BGH sei durch eine Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes überholt. Durch die Neufassung der VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 sei jetzt klargestellt, dass bei dieser Variante eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben sein müsse. Darauf verweise die Literatur (Schneider in AnwaltKommentar RVG, Schneider/Wolf, VV 3516, Rn. 5).
Die Beklagte verteidigt die im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. November 2021 erfolgte Festsetzung der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu erstattenden Kosten. Die Gebühren bei der Nichtzulassungsbeschwerde richten sich nach Auffassung der Beklagten allein nach Teil 3, Abschnitt 5 VV RVG. Das obligatorische schriftliche Verfahren (§ 64 Abs. 5 KVwGG) spreche dabei gegen die Gewährung einer Terminsgebühr (unter Verweis auf Gerold/Schmidt, RVG 25. Auflage 2021, VV 3516, VV 3502 Rn. 11, VV 3500 Rn. 19).
In jedem Fall lege Nr. 3516 VV RVG für eine Terminsgebühr einen Satz von 1,2 fest. Die Nichtzulassungsbeschwerde sei weder tatbestandlich noch inhaltlich mit einem Revisionsverfahren gleichzusetzen.
Hilfsweise werde bestritten, dass es sich bei dem Telefonat zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem Vertreter der Beklagten am 27. Mai 2020 um eine Besprechung im Sinne von Vorb. 3 Abs. 3 Nr. 2 VV RVG gehandelt habe.
Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch teilweise begründet, weil der Beschluss der Geschäftsstelle des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts vom 15. November 2021 über die Kostenfestsetzung in Höhe von insgesamt nur 600,71 EUR fehlerhaft ist, soweit eine Terminsgebühr überhaupt nicht berücksichtigt wurde.
Die Kosten des Verfahrens richten sich nach § 22 Abs. 4 der Rechtsverordnung zur Ausführung des Kirchengesetzes über die Errichtung eines Verfassungs- und Verwaltungsgerichtes der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (Verfahrensordnung) i. V. m. §§ 2 und 13 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) i. V. m. der Anlage 1 Vergütungsverzeichnis (VV).
Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin steht neben der 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV RVG in Höhe von 484,80 EUR auch eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3516 VV RVG in Höhe von 363,60 EUR zu. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin richten sich die Gebühren bei der Nichtzulassungsbeschwerde allein nach dieser Vorschrift. Nr. 3210 VV RVG regelt die Terminsgebühr für das Revisionsverfahren und ist deshalb nicht einschlägig.
Zwar war der BGH (BGH, NJW 2007, 1461) zur früheren Gesetzesfassung der Auffassung, die Terminsgebühr nach Nr. 3516 VV entstehe in den Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht schon, wenn die Rechtsanwälte der Parteien sich ohne Mitwirkung des Gerichts darüber besprechen (VV Vorb. 3 Abs. 3, 3. Var. a. F.), sondern nur dann, wenn ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung über die Nichtzulassungsbeschwerde stattfinde. Jedenfalls nach der Neufassung der VV Vorb. 3 Abs. 3 ist diese Auffassung nicht mehr haltbar. Denn nach dem Wortlaut der Vorschrift entsteht die Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen. Die Gebühr für außergerichtliche Termine und Besprechungen entsteht für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber. Das 2. KostRMoG will durch diese Umformulierung in VV Vorb. 3 Abs. 3 RVG ausdrücklich „klarstellen“, dass es für die Alt. 3 von Satz 1 nicht nötig ist, dass sich die außergerichtliche Besprechung auf ein Verfahren bezieht, in dem an sich eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG, 25. Aufl. 2021, Vorb. 3 VV, Rn. 141 ff.; Schneider in Schneider/Volpert Anwaltkommentar RVG, 9. Aufl., 2021, W Nr. 3516, Rn. 10). Der primäre Grund für die Alt. 3 ist, dass der Rechtsanwalt gleich nach seiner Bestellung zum Verfahrensbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen Beendigung des Verfahrens beitragen soll, mit dem Ziel, ein langwieriges und kostspieliges Verfahren zu vermeiden (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG, 25. Aufl. 2021, Vorb. 3 VV, Rn. 151).
Auch im Übrigen sind die Voraussetzungen für die Entstehung einer Terminsgebühr gegeben. Zwar löst nicht jede Besprechung eine Terminsgebühr aus. Es muss sich um eine solche handeln, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet ist. Die Erledigung bezieht sich auf Ansprüche, die bereits rechtshängig sind. Nicht nötig ist, dass die Streitigkeit zwischen den Parteien auch inhaltlich befriedet wird; das heißt, es ist unerheblich, wie das Verfahren nach dem Gespräch weitergeht (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG, 25. Aufl. 2021, Vorb. 3 VV, Rn. 167 und Rn. 185). Es muss mündlich oder fernmündlich gesprochen worden sein, wobei das Gespräch dabei von kurzer Dauer gewesen sein kann (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG, 25. Aufl. 2021, Vorb. 3 VV, Rn. 180). Es ist auch nicht nötig, dass vorher ein Besprechungstermin vereinbart wurde; es reicht, wenn einer den anderen anruft und Gespräche über die Erledigung stattfinden. Zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und einem Vertreter der Beklagten fand unstreitig am 27. Mai 2020 ein Telefonat statt, in dem es auch um die Beilegung des gesamten Verfahrens ging. Dabei war dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin noch nicht bekannt, dass die Beklagte bereits Erledigung des Verfahrens erklärt hatte, weil der Schriftsatz erst am 2. Juni 2020 beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin einging. Darüber wurde u. a. gesprochen.
Die Kosten werden daher auf der Grundlage des Gegenstandswerts von EUR 5.000,00 wie folgt festgesetzt:
- eine 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV RVG in Höhe von 484,80 EUR (wie beantragt)
- eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3516 VV RVG in Höhe von 363,60 EUR
- eine Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen nach Nr. 7002 W RVG in Höhe von 20,00 EUR
Der sich daraus ergebende Betrag beläuft sich auf 868,40 EUR. Diesem Betrag ist nach § 2 Abs. 2 RVG i. V. m. Nr. 7008 VV RVG die Umsatzsteuer von 19 % hinzuzurechnen (=165,00 EUR).
Somit ergibt sich die Festsetzung eines Gesamtbetrages in Höhe von EUR 1.033,40.
Die Verzinsung war gemäß § 23 Rechtsverordnung zur Ausführung des Kirchengesetzes über die Errichtung eines Verfassungs- und Verwaltungsgerichtes der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (Verfahrensordnung), § 173 VwGO, § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 247 BGB auszusprechen.