Entlassung aus dem Pfarrdienst kraft Gesetzes nach Beurlaubung, Verwaltungskammer bei dem Kirchengericht der EKD, Urteil v. 28.02.2024, Az. 0136/A6-2022

Soweit ersichtlich hatte das Kirchengericht der Ev. Kirche in Deutschland durch seine Verwaltungskammer in diesem Jahr erstmalig über einen besonderen Entlassungstatbestand des Pfarrdienstrechts zu entscheiden, den es in vergleichbarer Form im staatlichen Dienstrecht nicht gibt: die Entlassung kraft Gesetzes wegen der Nicht-Wiederaufnahme des Dienstes nach einer Beurlaubung.

Die Vorschrift des § 97 Abs. 1 Nr. 5 PfDG.EKD lautet:

„(1) Pfarrerinnen und Pfarrer sind kraft Gesetzes entlassen, wenn sie […]
5. durch ihr Verhalten nach Ablauf einer Beurlaubung erkennen lassen, dass sie den Dienst nicht wieder aufnehmen wollen […]

(2) Die für die Berufung zuständige Stelle entscheidet darüber, ob die Voraussetzungen nach Absatz 1 vorliegen und stellt den Tag der Beendigung des Pfarrdienstverhältnisses fest.“

Das genaue Verfahren für eine derartige Entlassung regelt das Gesetz nicht. Das Klageverfahren warf daher u.a. die Fragen auf, ob der beklagten Landeskirche ein Ermessen zusteht, welches Verhalten aus welchem Zeitraum „Verhalten nach Ablauf einer Beurlaubung“ darstellen könne und ob auch die Pfarrvertretung im Verfahren zu beteiligen war.

Das Kirchengericht hat die Klage abgewiesen und die Entlassung kraft Gesetzes bestätigt. Das Urteil ist rechtskräftig geworden.

eigene Leitsätze

  1. Der Regelungsinhalt eines Verwaltungsaktes beschränkt sich bei der Entlassung kraft Gesetzes auf die Feststellung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen und des Tages der Beendigung des Pfarrdienstverhältnisses. Die Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Ein Ermessen besteht nicht.
  2. Die unbestimmten Rechtsbegriffe „durch ihr Verhalten erkennen lassen“ und „nicht wieder aufnehmen wollen“ sind gerichtlich voll überprüfbar.
  3. Indem § 97 Abs. 1 Nr. 5 PfDG.EKD ausdrücklich an das Verhalten der Pfarrerin oder des Pfarrers nach Ablauf einer Beurlaubung anknüpft, knüpft dieses Tatbestandsmerkmal nicht an einzelne Handlungen an, sondern an das Verhalten der Person in seiner Gesamtheit. Das schließt nicht aus, für die Auslegung des Verhaltens nach Ablauf der Beurlaubung auch Handlungen und Erklärungen in den Blick zu nehmen, die bereits vor Ablauf der Beurlaubung vorgenommen worden sind.
  4. Die Versetzung in den Wartestand ist kein milderes Mittel zur Entlassung kraft Gesetzes.
  5. Eine Beteiligung der Pfarrvertretung scheidet im Falle einer Entlassung kraft Gesetzes aus.

Die Entscheidung lautet im Volltext:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Entlassung aus dem Pfarrdienstverhältnis.

Sie ist … geboren und war zunächst als B., C. und D. tätig. Ab 1990 studierte sie evangelische Theologie und legte 1998 das erste Theologische Examen ab. Im Jahr 2001 legte sie das 2. Theologische Examen und wurde ordiniert. Mit Wirkung vom 1. April 2001 wurde sie in das Pfarrdienstverhältnis auf Probe berufen und in die Kirchengemeinde E. entsandt.

Am … Juli 2003 heiratete sie vor dem Standesamt F. ihren Ehegatten, der in F. wohnhaft war. Die kirchliche Trauung fand in ihrer Kirchengemeinde statt.

Von Dezember 2003 bis März 2004 war die Klägerin im Mutterschutz. Ihr erstes Kind wurde am … Januar 2004 in F. geboren. Mit Wirkung vom … Juli 2004 wurde ihr die Anstellungsfähigkeit verliehen. Am … November 2004 wurde sie in das Pfarrdienstverhältnis auf Lebenszeit berufen und bekam die Pfarrstelle G. übertragen.

Vom 12. April 2006 an war die Klägerin erneut im Mutterschutz. Ihr zweites Kind wurde am … Juni 2006 in F. geboren. Mit Schreiben vom 12. Juni 2006 teilte sie der Beklagten mit, dass sie derzeit über ihren Ehegatten unter dessen Anschrift in F. erreichbar sei. Im Anschluss an den Mutterschutz war die Klägerin bis … Februar 2007 in Elternzeit.

Am … Juli 2007 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie ihr drittes Kind erwarte und die gesetzliche Mutterschutzfrist am … Juli 2007 beginne. Das dritte Kind der Klägerin wurde am … September 2007 in F. geboren. Mit dem Ende des Mutterschutzes wurde der Klägerin zunächst bis … Februar 2009 in Elternzeit. Mit Schreiben vom … Juni 2008 teilte die Klägerin unter Hinweis auf eine [Erkrankung] ihres … Kindes und die Belastungen durch Erziehung dreier Kinder mit, dass sie sich außer Stande sehe, die mit einer Pfarrstelle verbundenen Aufgaben wahrzunehmen, und beantragte weitere Elternzeit im gesetzlich zulässigen Umfang bis Oktober 2015. Die Pfarrwohnung in G. werde sie im Juli 2008 räumen.

Am 31. Juli 2008 ist infolge der Elternzeit über 18 Monate hinaus der Verlust der übertragenen Pfarrstelle in G. eingetreten. Mit Schreiben vom … September 2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin Elternzeit über den … Februar 2009 hinaus und bat die Klägerin, sich beim Kirchenamt zu melden, sobald sie beabsichtige, den Dienst wieder aufzunehmen.

Am … August 2015 schrieb die Beklagte der Klägerin, dass ihr gesetzlicher Anspruch auf Elternzeit am … Oktober 2015 erschöpft sein werde. Da die Klägerin sich bisher nicht gemeldet habe, werde sie gebeten, ihre Pläne mitzuteilen. Sie habe die Möglichkeit, Urlaub aus familiären Gründen zu beantragen.

Die Klägerin antwortete unter dem … August 2015, dass sie gerne in den Dienst der Beklagten zurückkehre, sich aber gegenwärtig um ihre erkrankte Schwiegermutter kümmere, die in ihrem Haushalt lebe. Ihr Sohn sei an die [Klinik] in F. angebunden und relativ stabil. Bevor sie Urlaub aus familiären Gründen beantrage, bitte sie um Auskunft, ob ein solcher Antrag bis zur Volljährigkeit ihres jüngsten Kindes bindend sei oder sie zu einem früheren Zeitpunkt in den Dienst zurückkehren könne. Die Beklagte teilte daraufhin mit, dass sie sich bereits aus der Beurlaubung auf Pfarrstellen bewerben könne. Wichtig sei, ihre Pläne frühzeitig mitzuteilen, weil Bewerbungsverfahren mehrere Monate dauern könnten.

Am … September 2015 beantragte die Klägerin sodann ohne nähere zeitliche Angabe Urlaub aus familiären Gründen im Anschluss an die Elternzeit. Auf Nachfrage der Beklagten befristete sie ihren Antrag mit weiterem Schreiben auf zunächst fünf Jahre.

Mit Schreiben vom … Oktober 2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin Urlaub ohne Dienstbezüge, teilte das Ruhen der Rechte aus der Ordination mit und wies auf die Verpflichtung der Klägerin hin, sich rechtzeitig vor Ablauf des Urlaubs auf Stellen zu bewerben. Führe die Bewerbung vor dem Ende der Beurlaubung nicht zum Erfolg, sei die Beklagte gehalten, ihr von Amts wegen eine Stelle oder einen Auftrag zu übertragen. Stehe nach Ablauf einer Beurlaubung weder eine Stelle noch ein Auftrag zur Verfügung, erfolge die Wartestandsversetzung. Die Klägerin könne allerdings vor Ablauf des Urlaubs dessen Verlängerung beantragen, solange die Höchstdauer von 15 Jahren nicht erreicht sei.

Mit Schreiben vom … Oktober 2019 wies die Beklagte auf den im Oktober 2020 endenden Urlaub hin und bat die Klägerin um Mitteilung, ob und wann sie ihren Dienst wieder aufnehmen wolle. Die Beklagte habe am Dienst der Klägerin ein großes Interesse, weil zahlreiche Pfarrstellen vakant seien. Eine weitere Verlängerung des Urlaubs könne nurmehr für einen kurzen Zeitraum bewilligt werden, weil die Bewilligung voraussetze, dass dienstliche Interessen nicht entgegenstünden.

Am … November 2019 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch und im Nachgang per E-Mail mit, dass es angesichts ihrer engen familiären Anbindung in F. nicht absehbar sei, ob und wann sie wieder eine Tätigkeit im Dienst der Beklagten aufnehmen könne. Ihre berufliche Perspektive sehe sie nicht mehr in einer Rückkehr in den Dienst der Beklagten. Sie habe sich um die Übernahme in den Dienst der Ev. Kirche im Rheinland beworben.

Im März 2020 absolvierte die Klägerin ein Kolloqium und erlangte die Bewerbungsfähigkeit in der Ev. Kirche im Rheinland.

Am … Juni 2020 fragte die Beklagte die Klägerin per E-Mail nach ihren Plänen ab dem Ende der Beurlaubung und dem Sachstand ihrer Bemühungen um eine Stelle in der Ev. Kirche im Rheinland.

Unter dem … Juli 2020 teilte die Klägerin mit, dass sie ihre Bewerbungsbemühungen vorerst ausgesetzt habe, weil H. schwer erkrankt und in der letzten Phase seines Lebens ihrer Betreuung bedürfe. Sie bitte daher um eine Verlängerung ihres Urlaubs aus familiären Gründen.

Die Beklagte teilte mit, dass der Antrag in dieser Form nicht bescheidungsfähig sei, und bat um Nachweis der Pflegebedürftigkeit [des H.]. Zugleich riet sie der Klägerin, den Versetzungsantrag in die Ev. Kirche im Rheinland nicht zurückzunehmen, sondern allenfalls ruhend zu stellen. Die Klägerin beantragte sodann Urlaub aus familiären Gründen für ein weiteres Jahr.

Auf Beschluss des Kollegiums des Landeskirchenamts bewilligte die Beklagte der Klägerin unter dem 28. September 2020 die Verlängerung der Beurlaubung aus familiären Gründen bis zum … Oktober 2021. Am … März 2021 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie dank der Beurlaubung [H.] bis zu dessen Tode habe begleiten können. Sie habe nun das Angebot erhalten, eine Vakanzvertretung in einer Kirchengemeinde in F. zu übernehmen. Dafür bitte sie um Genehmigung der Tätigkeit während ihrer Beurlaubung und um Wiedererteilung der Rechte aus der Ordination.

Vom 1. Mai 2021 bis 31. März 2022 nahm die Klägerin als Pfarrerin im Angestelltenverhältnis die Vakanzvertretung bei der Ev. Kirchengemeinde I. mit Dienstsitz in F. wahr. Im August 2021 schrieb die Klägerin der Beklagten, dass sie sich seit 2014 um den Dienst in der Ev. Kirche im Rheinland bemühe. Sie habe sich um kleine hauptamtliche Stellen beworben, die ihre ehrenamtliche Tätigkeit in der Kirche abbilden würden, um eine Vakanzvertretung nach dem plötzlichen Tod eines Pfarrers ihrer Wohnsitzgemeinde im Jahr 2017, eine hauptamtliche Beauftragung für Seniorenarbeit im Jahr 2018 und eine im Amtsblatt der Ev. Kirche im Rheinland ausgeschriebene Pfarrstelle mit einem Umfang von 50 % im Jahr 2019. Dort sei sie abgelehnt worden, habe aber den Hinweis erhalten, das Kolloquium zu absolvieren, um bewerbungsfähig zu sein. Auch das habe sie geleistet. Nun habe sie mit der Aussicht auf eine spätere Bewerbung auf diese Stelle die Vakanzvertretung im Angestelltenverhältnis begonnen, mittlerweile aber erfahren, dass die Stelle durch das Presbyterium anderweitig besetzt worden sei. Sie halte weiter Ausschau nach Stellen, die ihre berufliche Perspektive und ihre familiären Belange miteinander vereinbar machten.

Am … Oktober 2021 teilte die Klägerin weiter mit, dass sie sich auf eine Schulpfarrstelle in J. und eine bewegliche Pfarrstelle in F. bewerbe. Ihr sei klar, dass die Versorgungsrückstellungen für die Beklagte belastend seien. Im Hinblick auf die im Raum stehende Entlassung aus dem beamtenrechtlichen Dienstverhältnis biete sie daher an, einen Versorgungsabschlag zu leisten, um die Beklagte von finanziellen Lasten freizustellen.

In einem Telefonvermerk vom … Oktober 2021 ist vermerkt, dass die Klägerin auf Nachfrage der Beklagten eine Rückkehr in den Dienst der Beklagten für sich ausschließe. Sie sei bis März 2022 im Angestelltenverhältnis in einer Gemeinde der Ev. Kirche im Rheinland tätig. Der Klägerin sei erklärt worden, dass eine weitere Verlängerung der Beurlaubung nur noch für kurze Zeit möglich sei. Eine Entlassung aus dem Pfarrdienstverhältnis könne dann zum 1. Januar 2022 erfolgen. Die Klägerin habe allerdings auch keinen Antrag auf Verlängerung ihrer Beurlaubung gestellt. Daher stehe die Entlassung aus dem Pfarrdienstverhältnis bereits zum Ende Oktober 2021 im Raum.

Mit Beschluss vom 26. Oktober 2021 stellte das Kollegium des Landeskirchenamts der Beklagten fest, dass das Pfarrdienstverhältnis der Klägerin mit Ablauf des 31. Oktober 2021 von Gesetzes wegen beendet ist. Gegen den entsprechenden Bescheid der Beklagten vom gleichen Tage legte die Klägerin am 18. November 2021 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass die Regelung über die Entlassung kraft Gesetzes auf Tatbestandsseite einen Wertungsspielraum enthalte, die die Beklagte verkannt habe. In formeller Hinweis sei eine notwendige Beteiligung der Pfarrvertretung unterblieben; auf ihr Recht, eine solche Beteiligung zu beantragen, sei die Klägerin nicht hingewiesen worden. Die Klägerin sei nicht aufgefordert worden, den Dienst wieder anzutreten, und vor der Feststellung der Beklagten auch nicht angehört worden.

Mit Bescheid vom 18. März 2022 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin hat am 21. April 2022 rechtzeitig Klage erhoben. Zur Begründung macht sie geltend, dass die Entlassungsverfügung rechtswidrig sei. Die Beklagte stelle für die Annahme, dass sie den Dienst nicht wieder aufnehmen wolle, darauf ab, dass sie sich nicht vor dem Ende ihrer Beurlaubung auf Stellen beworben habe und statt dessen einen befristeten Arbeitsvertrag mit einer Kirchengemeinde andernorts geschlossen habe. Beides sei kein Verhalten „nach Ende der Beurlaubung“, sondern Verhalten vor deren Ende und erfülle daher nicht den Tatbestand des § 97 Abs. 1 Nr. 5 PfDG.EKD. Die Beklagte habe außerdem der Aufnahme der Nebentätigkeit trotz laufender Beurlaubung zugestimmt. Die Beklagte habe die Klägerin vor der Entlassung nicht förmlich angehört und den Entlassungstatbestand überraschend angewandt. Das sei auch der Grund, weshalb sie sich nach dem Ende der Beurlaubung nicht mehr auf Stellen beworben habe bzw. habe bewerben können. Die Beklagte habe außerdem nicht erkannt, dass § 97 Abs. 1 Nr. 5 PfDG.EKD ein Ermessen eröffne, das sie habe ausüben müssen. Der Wortlaut deute zwar auf eine zwingende gesetzliche Vorschrift, die Tatbestandsmerkmale „durch ihr Verhalten erkennen lassen“ und „den Dienst nicht wieder aufnehmen wollen“ eröffnete der Beklagten jedoch einen weiten Wertungsspielraum, der auf eine Ermessensentscheidung hinauslaufe, bei der auch die Folgen der Entlassung wie der Verlust des aller Ansprüche auf Bezüge und Versorgung zu berücksichtigen seien.

Die Entlassungsverfügung sei außerdem verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil die Beklagte versäumt habe, die Pfarrvertretung zu beteiligen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2022 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt unter wesentlicher Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide,

die Klage abzuweisen.

Die Entlassung kraft Gesetzes nach § 97 Abs. 1 Nr. 5 PfDG.EKD sei eine besondere Variante der Aufgabe des Dienstes gem. § 97 Abs. 1 Nr. 3 PfDG.EKD. Der Tatbestand sei erfüllt, wenn das Verhalten der Pfarrerin oder des Pfarrers nach den gesamten Umständen auf die Absicht schließen lässt, nicht nur vorübergehend den Dienst aufgeben zu wollen. Ob das Verhalten vor oder erst mit dem Ende der Beurlaubung begonnen worden sei, sei nicht maßgeblich. Das frühere Nichthandeln der Klägerin, die sich nicht rechtzeitig auf Stellen beworben habe, um den Dienst nach dem Ende der Beurlaubung wieder anzutreten, setze sich letztendlich über diesen Zeitpunkt hinaus fort. Ein Ermessen der der Beklagten nicht eröffnet; auch ein Interpretationsspielraum bestehe nicht, nachdem die Klägerin sich ausdrücklich dahingehend geäußert habe, ihre berufliche Perspektive nicht im Dienst der Beklagten zu sehen. Die Entlassung sei auch nicht unverhältnismäßig. Die Beklagte habe die Klägerin aktiv dabei unterstützt, eine Anschlussbeschäftigung in der Ev. Kirche im Rheinland zu vermitteln und habe, als dies nicht zeitnah gelungen sei, sogar die Beurlaubung ein letztes Mal verlängert.

Auf die Frage des Gerichts, ob sie mit der Klage in der Sache eine Verlängerung der Beurlaubung ohne Bezüge erreichen wolle oder den Dienst wieder aufnehmen wollte, teilte die Klägerin zuletzt mit, dass sie eine gütliche Einigung mit der Beklagten anstrebe und zunächst ab … Oktober 2022 eine befristete Vakanzvertretung in der Ev. Kirche im Rheinland übernehmen werde. Sie werde nach Antritt der Stelle mit einem außergerichtlichen Vergleichsvorschlag an die Beklagte herantreten. Die Beklagte teilte im März 2023 mit, dass die Klägerin einen außergerichtlichen Vergleichsvorschlag nicht unterbreitet habe. Die Klägerin hat sich seitdem, auch auf die Frage des Gerichts, ob sie das Verfahren noch weiter betreiben wolle, nicht mehr geäußert. Wegen des weiteren Sachverhalts und der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verfahrensakten der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht im erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 33 Abs. 2 VwGG.EKD).

Die Klage bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Die Entlassungsverfügung vom 26. Oktober 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§l 13 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

I. Rechtsgrundlage der Entlassungsverfügung ist § 97 Abs. 1 Nr. 5 PfDG.EKD. Danach sind Pfarrerinnen und Pfarrer unter anderem dann kraft Gesetzes entlassen, wenn sie durch ihr Verhalten nach Ablauf einer Beurlaubung erkennen lassen, dass sie den Dienst nicht wieder aufnehmen wollen. Die Feststellung der Entlassung erfolgt durch Verwaltungsakt. Der Regelungsinhalt (vgl. zum Regelungscharakter und -inhalt feststellender Verwaltungsakte Appel/Melchinger VerwArch 1993, 349 (358 ff.)) beschränkt sich auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 97 PfDG.EKD und des Tages der Beendigung des Pfarrdienstverhältnisses; die daran anknüpfende Rechtsfolge der Entlassung aus dem Pfarrdienstverhältnis ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (vgl. zu § 21 BeamtStG: Battis BBG/Hebeler, BBG § 31 Rn. 2,7: Kümmel BeamtenR, 6/2011, Rn. 3). Es handelt sich – anders als die Klägerin geltend macht – um eine gebundene Entscheidung: ein Ermessen besteht nicht. Die von der Klägerin angeführten unbestimmten Rechtsbegriffe „durch ihr Verhalten erkennen lassen“ und „nicht wieder aufnehmen wollen“ sind daher gerichtlich voll überprüfbar und räumen der Beklagten keinen Spielraum dahingehend ein, diese Begriffe unter Berücksichtigung der Folgen der Entlassung eng oder weit auszulegen.

II. Die Feststellung der Entlassung ist formell rechtmäßig ergangen.

  1. Die nach § 15 WZG-EKD erforderliche Anhörung der Klägerin ist erfolgt. Eine schriftliche Anhörung ist zwar der in § 15 VVZG-EKD vorausgesetzte Regelfall, die Vorschrift erfordert jedoch nicht zwingend eine schriftliche Anhörung. Hier hatte die Klägerin in mehreren Telefonaten und im E-Mail-Verkehr mit der Beklagten durchgehend Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Sie war sich ausweislich ihrer eigenen E-Mails auch darüber im Klaren, dass die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis als Rechtsfolge bevorstand. So hat sie mit E-Mail vom 25. Oktober 2021 mitgeteilt, dass sie bereit sei, die Entlassung durch Erstattung der Kosten für Versorgungsrückstellungen bei einem weiteren Verbleib im Dienst der Beklagten abzuwenden.

Selbst wenn die erforderliche Anhörung unterblieben wäre, wäre dieser Fehler geheilt worden. Denn die Beklagte hat die Anhörung im Sinne von § 33 Abs. 1 Nr. 3 VVZG-EKD nachgeholt, nachdem die Klägerin gegen die Entlassungsverfügung Widerspruch eingelegt hat, indem sie ihr mit Schreiben vom 10. Januar 2022 (erneut und ausdrücklich) Gelegenheit gegeben hat, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern.

Schließlich wäre selbst eine unterbliebene und nicht nachgeholte Anhörung aufgrund von § 34 VVZG.EKD unbeachtlich, weil die Verletzung der Formvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht hat beeinflussen können. Das folgt daraus, dass die Entlassung kraft Gesetzes erfolgt und der darüber ergehende Bescheid eine gebundene Entscheidung ist.

Beachtlich wäre die unterbliebene Anhörung danach nur, wenn die Klägerin nachträglich Tatsachen geltend gemacht hätte, die darauf schließen lassen, dass sie entgegen der Annahme der Beklagten den Dienst wieder hat aufnehmen wollen. Das ist nicht der Fall.

  1. Die Entlassung ist auch nicht infolge einer unterbliebenen Beteiligung der Pfarrvertretung formell rechtswidrig. Auch die Mitwirkung gem. § 21 PfVertrG scheidet aus, wenn die Dienststelle keinen Ermessensspielraum hat. Das ist der Fall, wenn eine Entlassung kraft Gesetzes erfolgt. Ohne Ermessensspielraum ist die Dienststelle auch dann, wenn die Entlassung zwar durch einen Verwaltungsakt erfolgt, dieser aber bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zwingend zu erlassen ist (vgl. zu § 21 BeamtStG Richardi/Dörner/Weber/Benecke, 5. Aufl. 2020, BPersVG § 78 Rn. 31).

III. Auch die materiellen Voraussetzungen der Feststellung der Entlassung kraft Gesetzes liegen hier vor. Die Klägerin hat durch ihr Verhalten nach Ablauf einer Beurlaubung erkennen lassen, dass sie den Dienst nicht wieder aufnehmen will. Sie war bis zum 14. Oktober 2021 beurlaubt und hat während und nach ihrer Beurlaubung in mehreren Telefonaten und E-Mails erklärt, dass sie aus privaten Gründen ihre berufliche Zukunft nicht im Dienst der Beklagten sehe, sondern sich mit dem Ziel des Dienstherrenwechsels auf konkrete Pfarrstellen der Ev. Kirche im Rheinland bewerbe. Sie hat seit 2008 ihren Wohnsitz außerhalb des Gebiets der Beklagten und weder einen Antrag auf Verlängerung der Beurlaubung gestellt, noch sich auf Pfarrstellen der Beklagten beworben oder sonst zum Ausdruck gebracht, dass sie bereit wäre, ihren Dienst bei der Beklagten zu leisten. Im Gegenteil hat sie mit dem Besuch des Kolloquiums zur Erlangung der Bewerbungsfähigkeit bei der Ev. Kirche im Rheinland konkrete Schritte zum Dienstherrenwechsel unternommen und dort eine Vakanzvertretung übernommen, während derer sie den Dienst im Bereich der Beklagten gar nicht hat wahrnehmen können.

Soweit die Klägerin einwendet, dass dieses Verhalten kein Verhalten „nach Ablauf einer Beurlaubung“ sei, weil es sich im Wesentlichen vor Ablauf der Beurlaubung manifestiert habe, greift ihr Einwand nicht durch. Indem § 97 Abs. 1 Nr. 5 PfDG.EKD ausdrücklich an das Verhalten der Pfarrerin oder des Pfarrers nach Ablauf einer Beurlaubung anknüpft, knüpft dieses Tatbestandsmerkmal nicht an einzelne Handlungen an, sondern an das Verhalten der Person in seiner Gesamtheit, das sich in einzelnen Handlungen manifestiert. Das schließt nicht aus, für die Auslegung des Verhaltens nach Ablauf der Beurlaubung auch Handlungen und Erklärungen in den Blick zu nehmen, die bereits vor Ablauf der Beurlaubung vorgenommen worden sind. Dass ein so geäußertes Verhalten nach Ablauf einer Beurlaubung bereits vor deren Ablauf begonnen hat, steht für sich genommen nicht der Annahme entgegen, dass dieses Verhalten andauert; im Gegenteil bestätigt die darin zum Ausdruck kommende Kontinuität eher die Annahme eines konsistenten, von einem entsprechenden Willen getragenen Verhaltens. Anderes gälte nur dann, wenn ein vor dem Ablauf der Beurlaubung zum Ausdruck gebrachtes Verhalten durch den Ablauf der Beurlaubung eine nach außen erkennbare Zäsur erführe, durch die es anders zu beurteilen wäre als bisher. Das ist hier gerade nicht der Fall.

Das Verhalten der Klägerin nach Ablauf der Beurlaubung folgt Pfadabhängigkeiten und beruht auf Dispositionen, die die Klägerin schon vor Ablauf der Beurlaubung getroffen hat, indem sie sich nicht auf Stellen bei der Beklagten beworben hat. Denn schon aufgrund des Verlusts ihrer Pfarrstelle und der Dauer eines Bewerbungsverfahrens konnte sie nur dann nach Ablauf der Beurlaubung den Dienst wieder aufnehmen, wenn sie sich darum rechtzeitig bemüht hätte. Insofern sind die von der Klägerin als „Verhalten vor Ablauf der Beurlaubung“ beschriebenen Handlungen Ausdruck eines Verhaltens, das in seiner Gesamtheit und nicht etwa mit Ablauf der Beurlaubung neu und isoliert zu betrachten ist. Auch nach Ablauf der Beurlaubung, selbst nach dem Erlass des angefochtenen Bescheides hat die Klägerin keine tatsächlichen Handlungen gezeigt, die abweichend von ihren bisherigen Äußerungen, sie sehe ihre berufliche Zukunft an ihrem Wohnort im Rheinland, ein Interesse erkennen lassen, den aktiven Dienst bei der Beklagten wieder anzutreten. Auch mit ihrem Widerspruch und mit ihrer Klage oder während des gerichtlichen Verfahrens hat die Klägerin solche tatsächliche Handlungen nicht im Ansatz dargelegt oder auch nur eine unmissverständliche Erklärung abgegeben, den aktiven Dienst wieder aufnehmen zu wollen. Die dahingehende gerichtliche Anfrage hat sie unbeantwortet gelassen und statt dessen mitgeteilt, dass sie demnächst eine Vakanzvertretung innerhalb der Ev. Kirche im Rheinland übernehmen werde. Ihr Klagevorbringen richtet sich allein auf den Erhalt des innegehabten Statusamts bis zu dem weiter angestrebten Dienstherrnwechsel. Das erklärte Interesse am Statusamt ist jedoch nicht mit der Bereitschaft gleichzusetzen, den aktiven Dienst wieder aufzunehmen. Es genügt auch nicht, um den bereits während der Beurlaubung zum Ausdruck gebrachten Willen zu revidieren, den Dienst nicht wieder aufzunehmen.

Auch ein etwaiger konkludenter Antrag auf Verlängerung der Beurlaubung stünde der Entlassung kraft Gesetzes nicht entgegen. Ein neuerlicher Antrag auf Beurlaubung, sei er ausdrücklich oder stillschweigend gestellt, wäre als „Verhalten nach Ablauf der Beurlaubung“ schon inhaltlich kein Ausdruck der Bereitschaft, den Dienst wieder aufzunehmen, sondern könnte allenfalls den von § 97 Abs. 1 Nr. 5 PfDG.EKD vorausgesetzten Ablauf der Beurlaubung hinausschieben – allerdings nur dann, wenn er nicht nach, sondern gerade und rechtzeitig vor Ablauf der bisher bewilligten Beurlaubung gestellt worden ist. Ein konkludenter – stillschweigender – Antrag auf weitere Beurlaubung lässt schon nicht erkennen, ob der Antrag rechtzeitig gestellt worden ist. Schließlich könnte der Antrag auch nur dann das Ende der Beurlaubung hinausschieben, wenn die Beurlaubung bewilligt worden wäre. Auch das war nicht der Fall; die Beklagte hat zwar die Möglichkeit einer weiteren Beurlaubung erkannt, im Rahmen des Widerspruchsbescheids aber konkrete dienstliche Belange angeführt, die einer weiteren Beurlaubung aus ihrer Sicht entgegenstanden, und daher von einer weiteren Verlängerung der Beurlaubung ausdrücklich Abstand genommen.

Die Feststellung der Entlassung ist – auch angesichts der status- und versorgungsrechtlichen Folgen der Entlassung – auch verhältnismäßig. Der Beklagten stand kein milderes Mittel zur Verfügung; eine Wartestandsversetzung schied als milderes Mittel aus. Insofern normiert zwar § 76 Abs. 2 Satz 1 PfDG.EKD die Pflicht der Pfarrerin oder des Pfarrers, sich rechtzeitig vor Ablauf der Beurlaubung auf eine Stelle zu bewerben, und § 76 Abs. 3 PfDG.EKD normiert die Rechtsfolge der Wartestandsversetzung, wenn nach Ablauf einer Beurlaubung die Bewerbung ohne Erfolg geblieben ist und weder eine Stelle noch ein Auftrag zur Übertragung zur Verfügung stehen. Diese Rechtsfolge knüpft jedoch ausdrücklich an eine erfolglose Bewerbung an. Sie begründet jedoch keine Verpflichtung der Beklagten, zur Vermeidung einer Entlassung kraft Gesetzes vorrangig die Wartestandsversetzung auszusprechen, wenn zum einen – wie die Beklagte der Klägerin mitgeteilt hat – Stellen zur Verfügung stehen, und zum anderen die Pfarrerin oder der Pfarrer sich gar nicht auf Stellen beworben hat und schon dadurch erkennen lässt, dass sie oder er den Dienst gar nicht wieder aufnehmen will. Auch die Regelung in § 97 Abs. 1 Nr. 5 PfDG.EKD lässt ein solches Stufenverhältnis nicht erkennen. Im Regelungszusammenhang mit § 97 Abs. 1 Nr. 5 PfDG.EKD konkretisiert § 76 Abs. 2 PfDG.EKD vielmehr das Verhalten, durch das Pfarrerinnen und Pfarrer regelmäßig (und rechtzeitig) zum Ausdruck bringen (sollen), dass sie nach Ablauf einer Beurlaubung den Dienst wieder aufnehmen wollen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 60 Abs. 1 VwGG.EKD. Gerichtskosten werden aufgrund von § 59 Abs. 2 VwGG.EKD nicht erhoben.